Notes I Found In Pigtown - Geschichten aus dem Viertel (2)
Einsamer Freund
Er lebte allein zu Hause, hatte keinen Job und keine
Freundin. Dann erzählte er mir, wie sehr es ihm auf den Sack ginge, dauernd in
diesen Schieß-Fernseher zu stieren. Dauernd liefe nur irgendein Mist. Es würde
zwar eine Weile gegen die Einsamkeit helfen, aber man fühlt sich irgendwann,
als hätte jemand einem ein Stück Gehirnmasse entnommen und der ganze Verstand
liefe nur noch auf drei Zylindern. Ich gab ihm was zu lesen und er ließ den
Flimmerkasten vorerst aus. Ich schaute zwei Tage später bei ihm vorbei. Die
Wohnung war kalt und völlig unaufgeräumt und überall stand dreckiges Geschirr
herum. Er schien viel gelesen zu haben. „Die Gedichte, die du mir gegeben
hast…“ fing er an. „Ja?“ fragte ich und war gespannt, was er sagen würde. „Sind
die von dir?“ „Ja.“ „Die reimen sich überhaupt nicht.“ „Ja, ich weiß.“ „Und
dieses Buch, das du mir gegeben hast…das, was mit Einsamkeit zu tun hat und so….“
„Ja, Hemingway.“ „Fand ich nicht so doll. Er tuckert da auf seinem Boot herum,
fängt den Fisch und am Ende ist nichts mehr übrig.“ „Ja.“ „Ich weiß nicht.
Find’s ja nett von dir, dass du mich aufmuntern willst, aber ich glaub, ich mach
doch mit dem Fernseher weiter.“
- MM
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