Notes I Found In Pigtown - Geschichten aus dem Viertel (5)
Gerade noch mal gut gegangen
Der Autofahrer bremste im letzten Moment und der Typ auf dem
Rad sprang vor Schreck mitten auf dem Zebrastreifen vom Sattel. Zur Sekunde
genau trat eine Frau um die 50 mit zwei Flaschen Bier aus dem Kiosk auf die
Straße und ließ vor lauter Aufregung alles fallen. Der Radfahrer schrie den
Autofahrer an, er solle gefälligst aufpassen, wenn er auf einen Zebrastreifen
zufährt und außerdem wären hier nur 30 erlaubt. Der Autofahrer schrie zurück:
„Dann geh zu Fuß, du Arschloch.“ Die Frau schrie sowieso, weil sich vor ihren
Füßen das ganze Bier zwischen den Scherben verteilte. Der Kioskbesitzer kam
heraus und checkte die Lage. Was passiert war, wollte er wissen und der
Radfahrer schilderte ihm den Fall, während er wild gestikulierend auf den PKW
zeigte, der noch immer vor dem Zebrastreifen stand. Durch das geöffnete Seitenfenster
sah er den rot angelaufenen Kopf des Fahrers, auf der Nase eine schwarze runde
Sonnenbrille. „Der Idiot hätte mich beinahe auf dem Zebrastreifen weggeputzt
und zu schnell war er auch noch.“ Der Kioskmann blickte vom Auto zum Boden.
„Jetzt liegt aber diese Scheiße hier vor meinem Laden…“ Die Frau rieb sich die
Augen, als könnte sie immer noch nicht glauben, was sich vor ihr abspielte. „Mein
Mann wird durchdrehen.“ Der Kioskmann blickte noch immer auf die Pfütze und die
Scherben. „Wer macht denn jetzt hier den Dreck vor meinem Laden weg?“ Die Frau
raufte sich die lockigen, an einigen Stellen schon ergrauten Haare und war den
Tränen nah. Der Radfahrer zeigte den Mittelfinger Richtung Autofahrer und stieg
wieder auf. Der Autofahrer wiederum brüllte ein „Pass bloß auf“ rüber und fuhr
davon. „Was mache ich denn jetzt?“ fragte die Frau den Kioskmann und der drehte
sich schulterzuckend zum Radfahrer, der gerade in die Pedale trat. „Frag das
Arschloch im Auto, der ist Schuld.“ Der Kioskmann ging wieder in sein Laden und
kam mit Handfeger und Kehrblech zurück. „Erzähl bloß meinem Mann nichts davon“,
wiederholte die Frau. Der Kioskmann nickte und fing an die Scherben in der
Bierpfütze aufzufegen. „Ich geb dir noch mal zwei Bier, das Geld kannste mir
später geben.“ Sie lächelte und ihre
Erleichterung war noch kilometerweit zu spüren.
- MM
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