Notes I Found In Pigtown - Geschichten aus dem Viertel (13)
Verschwunden
Es war schon spät. Beppo hing ein paar Meter vom Kiosk entfernt
herum und kämpfte sich voran. Jeder Schritt kostete ihn viel Kraft, seine
Trunkenheit setzte ihm zu. Nach ein paar Metern blieb er stehen, lehnte sich an
die Wand und versuchte während einer Zigarettenpause wieder zu Atem zu kommen.
Er hustete einmal, zweimal und dann verstummte es, als hätte jemand den Stecker
gezogen. Ich kam näher, etwas benebelt von billigem Wein und Starkbier. Oben
klebte der Vollmond am Himmel. Es war schön hier draußen, was mehr am Rausch,
als am Mond lag. Beppo sah mich an und fing an zu erzählen ohne mich vorher zu
begrüßen. Ich ging langsam an ihm vorbei, aber da hatte er mich schon. Er hätte
heute früh die Polizei gerufen. Margarete wäre ihm schon wieder erschienen.
Eine Frau aus der Nachbarschaft, so um die 40, die vor zwei Jahren spurlos verschwand. „Sie war bei mir,
in der Küche, machte den Schrank auf und griff sich eine Tasse. Dann verschwand
sie wieder.“ Er keuchte, zog wieder an seiner Zigarette und blies den Rauch
aus, dem er verträumt nachschaute: „So verschwand sie…wurde eins mit der Luft.“
Ich machte einen Schritt vorwärts, nickte und versuchte mir zwei Sekunden lang
vorzustellen, was aus der vermissten Frau geworden war. Sie war einfach
abgehauen, mit diesem Typen vielleicht, der sie an manchen Wochenenden immer
besuchte, oder der hat sich einfach mitgekommen, ihr den Kopf abgeschlagen und
im Wald vergraben. Oder sie ist weggegangen, ohne jemandem ein Sterbenswörtchen
zu verraten, hatte am Fluss einen Unfall, ist ins Wasser gefallen,
untergegangen….ach, wer weiß das schon. Ich gab auf, doch Beppo hörte nicht
auf, darüber nachzudenken. „Ist doch verrückt, von einem auf den anderen Tag
passiert so was…“, sagte er und hustete.
- MM
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