Notes I Found In Pigtown - Geschichten aus dem Viertel (19)
Der Rest vom Traum
Ein Kinderschrei
hallte durch die Nacht. Darauf folgte ein Schuss. Ich war mir nicht
mehr ganz sicher, was von beidem mich letztendlich aus dem Schlaf
gerissen hat. Vielleicht war auch beides nur ein Traum. Beunruhigt
stand ich auf und ging in die Küche. Ich ließ mir Wasser in ein
Glas laufen, stellte mich raus auf den Balkon und trank.
Gedankenverloren blickte ich mich um. Es war halb fünf Uhr morgens.
Eine ganz beschissene Zeit. Die Nacht ist schon nicht mehr so richtig
da, aber der Morgen traut sich auch nicht aus seinem Versteck. Was
war mit dem Schrei? Hatte jemand vor wenigen Augenblicken etwa sein
Kind erschossen? Als ich selbst noch Kind war, hatte mal jemand in
unserem Wohnviertel damit gedroht, sein Kind aus dem Fenster zu
werfen. Wie fertig, wie stoned, wie abgefuckt musst du sein, um an
diesen Punkt zu kommen? Am Ende hatte er doch eingelenkt und dem
kleinen Jungen war nichts passiert. Ich hoffe diese Nacht war das
ebenfalls so. Man weiß, dass da draußen gerade viel Scheiße
passiert. Dinge, die einen um den Schlaf bringen, aber man betet,
dass die eigenen Straßen davon verschont bleiben. Ich sagte mir,
dass alles nur in meinem Traum stattfand. Natürlich war es so. Würde
man nicht schon lange die Sirenen hören, wenn tatsächlich was
passiert wäre? Aber vielleicht kümmert es auch niemanden. Wieso
auch? Es war ja nur mein Traum und es war nicht mal ein ganzer. Es
war nur der traurige Rest.
- MM
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