Notes I Found In Pigtown - Geschichten aus dem Viertel (20)
Knall kurz vor Mitternacht
Milo hielt sein Luftgewehr in den Händen. Seine Augen leuchteten. Er
hatte natürlich auch Kugeln und Papierzielscheiben. Eine davon
klebte er an die Wohnungstür. Am Ende des Flurs saß er sich mit
Glas und der halbleeren Pulle Jack Daniels auf den Boden und schob
die Kugeln ins Gewehr. Zwischen den Schüssen nahm er einen Schluck
und lachte. Jedes Mal knallte es gegen das Holz der Tür, wenn die
Kugeln abprallten und Milo musste ein paar Mal sogar ausweichen. Im
Treppenhaus ging das Licht an. Milo konnte es durch seinen Spion
sehen. Jemand kam schnell die Treppen hoch. Natürlich Herr
Finkenhagen. Es klopfte heftig gegen die Tür. „Was ist das hier
für ein Krach?“ rief der Nachbar von draußen. „Kommen Sie doch
rein, Schlüssel liegt unter der Fußmatte,“ sagte Milo, lud sein
Gewehr nach und legte wieder an. „Was knallt denn da dauernd gegen
ihre Tür? Sie können in einer Stunden auf der Straße knallen.“
„Wen soll ich auf der Straße knallen?“ Milo schoss auf seinen
Spion, doch verfehlte um ein paar Zentimeter. „Hören Sie mit dem
Ärger auf, oder ich rufe die Polizei.“ „Herr Finkenhagen?“
„Was?“ „Ich hab jetzt ein Gewehr, Nachbar.“ „Und damit
schießen Sie gegen ihre Wohnungstür?“ „Ja.“ „Ich werde
morgen dem Hausmeister Bescheid sagen.“ „Kommen Sie doch rein,
Fickenhagen und trinken Sie was mit mir.“ „Nein, danke. Ich
möchte mit ihnen nichts trinken. Machen Sie sich auf was gefasst.“
Milo hörte, wie sein Nachbar wieder zurück zu seiner Wohnung ging.
Das Licht im Türspion schloss sich wie ein Auge. Milo stand auf,
holte sich einen Kanonenschlag aus der Küche, öffnete die Tür,
zündete den Knaller an und warf ihn das Treppenhaus hinunter. „Na,
dann nicht, Nachbar“, rief er und verschwand wieder in seiner
Wohnung. Es war kurz vor zwölf.
- MM
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