Notes I Found In Pigtown - Geschichten aus dem Viertel (21)
Hendrik, mach das Licht wieder
an!
Sie stritten sich jeden Tag. Mehrmals am Tag. Er hatte die Mitte 60
schon hinter sich, trank zu viel und beschimpfte seine Frau. Sie lief
humpelnd und an Krücken auf die 60 zu und hörte sich den ganzen
Hasshagel, der auf sie einprasselte an. Mittendrin ihr 35jähriger
Sohn Hendrik, psychotisch und zu Gewaltausbrüchen neigend, es sei
denn er nahm seine Pillen zur rechten Zeit. So wie an jenem späten
Abend als sein Vater seiner Mutter einmal mehr ihre Nutzlosigkeit
vorwarf. Sie saßen alle zusammen in der Küche. Sie nannte ihn einen
Säufer, er schlug auf den Tisch, brüllte herum und dann wurde es
kurz still. „Hendrik, mach das Licht wieder an“, rief die Mutter
dazwischen. Der Streit wurde verschoben. Hendrik hatte den Raum
schwarz gemacht und ihn anschließend verlassen. Der Vater soff im
Dunkeln weiter und Mutter stützte sich auf ihre Krücken, um hoch zu
kommen, rüber zum Lichtschalter. „Siehst du, was der Junge macht,
wenn du laut wirst?“ sagte sie und ging aus der Küche. Der Vater
nahm noch einen Schluck und schlief dann am Tisch ein. Eine Woche
später segelte er im Treppenhaus die Stufen runter. Unten angekommen
gab es nichts mehr, was sein Sohn, der oben auf dem Treppenabsatz
stand für ihn hätte tun können. Es war schon spät. Kurz zuvor war
das Licht ausgegangen. Vielleicht wollte der Junge es wieder an
machen, vielleicht wollte er seinen Vater halten, vielleicht aber
auch erlösen aber wahrscheinlich ließ er den Dingen einfach nur
ihren Lauf.
- MM
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