Porträt eines Unbekannten I
Die ersten Zeilen sind immer die schwersten. Meistens
schreibe ich abends, nachdem ich den Tag draußen verbracht und Eindrücke
gesammelt habe. Menschen, Gebäude, Pflanzen, Objekte in verschiedenen Formen
und Farben. Tiere, Straßen, Fahrzeuge, Geräusche. Sichtbare und unsichtbare
Dinge. Gerüche, Geschmäcker, Kälte und Wärme. Das Fassbare und das Unfassbare.
Ich sehe schönes und hässliches, praktisches und nutzloses, reines und verdrecktes,
heiles und zerstörtes. Meine Sinne sind schärfer als je zuvor.
Es geht mir um all diese unterschiedlichen Nuancen des
Alltags. Beispielsweise ein lautes Lachen in einem überfüllten U-Bahn Wagon.
Eine Blume neben einem Straßenschild, der ein Blütenblatt fehlt. Ein Auto, das
mit einem Ersatzrad fährt. Ein kleines Mädchen mit elf Fingern. Ein Mann, der
fast eine halbe Stunde sein Handy an sein Ohr hält, ohne ein Wort zu sagen. Ein
alter Mann, der auf einer Brücke, die über einen Fluss führt steht und winkt,
obwohl niemand auf dem Wasser ist. Kinder, die sich anlächeln, obwohl sie sich
fremd sind. Ein eingeschaltetes Radio, das in einer Mülltonne liegt und
klassische Musik spielt.
Jeden Tag passieren unzählige Dinge, die nur mir auffallen
und keinem anderen Menschen und auch ich selbst falle niemandem auf.
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