Schlechtes Wetter
Draußen schüttete es aus allen Kübeln und die Jungs saßen in der warmen Bude, spielten Karten und rauchten Erdbeertabak mit ihrer Shisha.
“Es regnet jeden Tag.
Das ist voll zum Kotzen”, sagte der mit den langen Haaren und der Brille. Sein
Name war Mellow.
“Der letzte Tabak war
besser”, sagte der mit den kurzen, der Stark hieß und der andere, Hong, rauchte
mit einem Lächeln auf den Lippen. Plötzlich donnerte es draußen und vor Schreck
schlug sich Hong das Ende des Mundstücks unter die Vorderzähne.
“Ah!” schrie er und
lachte und die anderen lachten mit. Er entzündete das Feuerzeug und ließ den
Tabak aufglühen. Sehr konzentriert, wie bei einer Mund-zu-Mund Beatmung zog er
den Rauch ein und rieb dann mit der Zunge über die Zähne. Er hustete ein wenig
und musste sofort wieder anfangen zu lachen. Er hatte gute Laune, warum auch
nicht, er stand kurz davor die Stelle als Lay-Outer in einer großen Werbeagentur
in Berlin anzunehmen. Sie hatten ihn gefragt und um baldige Antwort gebeten. Er
hätte sie ihnen auch gestern gleich am Telefon geben können, aber er wollte
diesen Erfolg, der für ihn zwar nicht ganz fremd, aber in dieser Form ein
vollkommen neues Gefühl war, so lange es nur möglich war genießen. Sie würden
sogar auf ihn warten. Sie würden auf seine Antwort warten. Hong blickte aus dem
Fenster. Eins, zwei Blitze konnte er noch sehen und dann waren sie
verschwunden. Feuchte Straßen blieben zurück und dann drängte sich die Sonne
wieder durch.
Mellow und Stark
rauchten und verweilten mit dem süßlichen Geschmack auf der Zunge. Hong
lächelte dem Fenster und der Sonne entgegen. Er wollte raus und mit ihr tanzen.
Er schmähte nach einem Joint und einer Flasche Wein.
„Besorg was zu essen“,
sagte Mellow und Hong bot sich freiwillig als Laufbursche an.
„Und Gras“, sagte er und die anderen waren überredet. Ihm war heute nichts zuwider und egal, was sich in seinen Kopf verirrte, konnte diese innere Euphorie nicht ins Wanken bringen. Nicht mal das Wetter störte ihn, auch nicht die Wolken, die sich erneut wie ein Todesgeschwader am Himmel neuformierten, um gleich noch mal richtig loszuschlagen. Stark klopfte Hong auf die Schulter und nickte. Er wusste, dass Hong es geschafft hatte und umarmte ihn kurz, als wäre es schon der Abschied.
„Und Gras“, sagte er und die anderen waren überredet. Ihm war heute nichts zuwider und egal, was sich in seinen Kopf verirrte, konnte diese innere Euphorie nicht ins Wanken bringen. Nicht mal das Wetter störte ihn, auch nicht die Wolken, die sich erneut wie ein Todesgeschwader am Himmel neuformierten, um gleich noch mal richtig loszuschlagen. Stark klopfte Hong auf die Schulter und nickte. Er wusste, dass Hong es geschafft hatte und umarmte ihn kurz, als wäre es schon der Abschied.
„Nun übertreibs nicht.
Ich bin gleich wieder da.“
***
Mellow lag wie ein
erschossenes Tier auf der Couch, verfiel den Explosionen und den schreienden
Vietcong-Kämpfern, die er auf dem Bildschirm verfolgte und ließ langsam einen
misstrauischen Gedanken zu, als er seinen Blick auf zum Fenster richtete.
„Es hagelt schon
wieder“, sagte er mit müder Stimme und schob seine Brille auf der Nase hoch.
Stark schaute auf und kniff die Augen zusammen, als ihn hunderte von Lichtern
durch das Fenster blendeten.
„Das ist kein Hagel“,
sagte er und nahm ein Geräusch war, das ihn veranlasste den Ton des Fernsehers
auszustellen. Explosionen waren noch zu hören, allerdings um ein mehrfaches leiser.
Er steckte sich den kleinen Finger ins Ohr, weil er einen Tinnitus vermutete,
doch das war es nicht. Es kam definitiv von draußen. Es klang nach Krieg, aber
nicht solche, wie er sie aus dem Fernsehen kannte. Nimm den zweiten Weltkrieg
und gib jedem Soldaten ein Luftgewehr für die Straßenkämpfe in die Hand und du
bist verdammt nah dran an diesem Geräusch.
„Was ist das?“ Mellow
setzte sich auf.
Stark stand kurz
darauf am Fenster und blickte hinaus. Wie kleine Meteoriten schossen sie ihm
entgegen und er konnte nur noch an Hong denken, der sich in diesen Minuten
irgendwo dort draußen befand, mit Hamburgern und einem kleinen Beutel Gras in
der Hand und einem zerschnittenen Kopf.
„Das sind keine
Hagelkörner“, sagte er, „das sind Glassplitter.“
***
Ein Teebeutel gefüllt
mit Reißzwecken, den man richtig durchschüttelt. Daran dachte Hong, als er mit
blutendem Kopf und zerrissenem Sweater in einem Häusereingang lag und nach
draußen ins Chaos blickte. Die Glashügel vor der Tür wurden immer höher und
vermischten sich zu einem funkelnden Ozean. Hongs Hände waren voller Blut, weil
er es nicht lassen konnte, sich die Stirn zu wischen. Mehr Tropfen konnten
seine Augen nicht mehr aushalten und seine Schulter fühlte sich an, als hätte
man diese mit einem Lederriemen traktiert. Sein Hals war blutverschmiert und
Hong hatte die Befürchtung, dass genau diese Wunde ihn umbringen wird. Hin und
wieder sah er draußen einige Leute vorbeilaufen oder zu Boden fallen, von Panik
und schreiendem Schmerz begleitet. Ein älterer Mann kroch auf allen Vieren dem
Eingang, in dem Hong saß, entgegen. Seine Hände und Knie bis auf die Knochen
aufgeschnitten, doch dann brach er unter der Last der herabfallenden Scherben
zusammen. Die Jacke bekam erste Risse, aus denen bald Flüsse aus Blut herausliefen.
Es ging so schnell. Hong hätte nichts mehr tun können.
Hong zog sein Handy
aus der Tasche, schloss die Augen und fühlte die Wärme des Blutes auf seinem
Gesicht. Es wurde dunkel und alles was blieb, war das zitternde Freizeichen in
seinem Ohr, bis ihn eine junge Frauenstimme zum letzten Mal wachküsste.
„ForMedia
Werbeagentur, Hampe, Guten Tag.“
„Guten Tag…“, begann
Hong, „hier ist Hong Wuyana. Ich rufe an, um zu sagen, dass ich den Job nehme.“
Dann verlor er das
Bewusstsein.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen